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Drei Modellräume

Ralf Brög

Die drei neuen Zugänge der Station Heinrich-Heine-Allee wurden von Ralf Brög sowohl visuell als auch akustisch als Aufführungsorte für wechselnde Klang- und Soundbeiträge gestaltet – als „Theater“, als „Labor“ und als „Auditorium“. Alle drei Modellräume sind mit einem hochwertigen Soundsystem ausgestattet, das verschiedenartigste akustische Interventionen ermöglicht und über die Jahre möglichst facettenreich von verschiedenen Komponisten oder Soundkünstlern genutzt werden soll. Zur Eröffnung sind Soundbeiträge von Autor und Regisseur Kevin Rittberger (Theater), von Komponist Stefan Schneider (Labor) und von Musiker Kurt Dahlke und Künstler Jörn Stoya (Auditorium) zu hören.
Das „Labor“ thematisiert den experimentellen Umgang mit Tönen. Im Raum hängen Klangskulpturen, ihnen gegenüber visualisiert der „Interferenz-Atlas“ optische Phänomene. Im „Theater“ erkennt man auf keramischer Oberfläche einen Theatervorhang. Zu hören sind Texte und anderes Klangmaterial. Für den ‚Betrachter‘ stellt sich die Frage nach dem eigenen Standort: Ist er Teil des Schauspiels oder ist er Publikum? „Auditorium“ ist mit 48 Lautsprechern bestückt, die einzeln ansteuerbar sind. Durch dreidimensional geformte Wandelemente wird die Ausbreitung des Schalls modelliert, wodurch die akustischen Eigenschaften des Raumes optimiert werden. Diese Ausstattung erlaubt eine einzigartige kompositorische Herangehensweise und ein ebenso einzigartiges Hörerlebnis.

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Ralf Brög
Drei Modellräume

Text von Anja Schürmann
»Musik hat Töne, Tonleiter und Tonart: sie kann bauen.
« (Walter Benjamin)*

»Musica amat silentium«, schrieb Johann Adam Hiller 1767, die neue Entwicklung begrüßend, dass das Publikum während eines Konzerts nicht lärmte, sprach, Billard oder Karten spielte, sondern sich regungslos und vor allem still verhielt. Aus dieser Stille kam die Musik, sie war Grundvoraussetzung und dialektischer Zwilling des Klangs. Stille ist aber auch nie ganz still. Absolute Stille muss man herstellen, sie ist künstlich nur in so genannten schalltoten Räumen erzeugbar. Stille – so paradox es auch klingen mag – ist auch die Grundlage der akustischen Installationen, die Ralf Brög zusammen mit den Musikern Stefan Schneider, Kurt Dahlke, Jörn Stoya und dem Theaterregisseur und -autor Kevin Rittberger realisierte.
Zwar tönt es in den drei neuen Zugängen und Korridoren der Heinrich-Heine- Alle; aber es sind Töne, die kein Lärm sein wollen, Töne, die einen Gegenentwurf zur kakophonische Unruhe der Straße darstellen. Auditorium, Theater und Labor heißen die drei Modellräume in Brögs Gestaltung, Räume, in denen er auslotet, wie der Schall grafisch und akustisch als Klang, als Musik funktioniert.
Im Labor, wo in den Zugangstreppen zwei Soundobjekte hängen und auf einen Interferenzatlas im Gang stoßen, wird der experimentelle Charakter der Brögschen Konzeption besonders deutlich. Der Atlas besteht aus 45 bedruckten Keramikplatten, die in drei Reihen kupferne Variationen von Schallplattenrillen als gedachte musikalische Typologie visualisieren. Der Wellencharakter des Schalls wird anhand einer sog. Urrille deutlich gemacht, sie kommt nur einmal vor, von ihr gehen alle weiteren Platten aus, dessen Rillen Brög gedehnt und gestaucht, verzerrt und verdreht hat, um so Interferenzen zu erzeugen. Interferenzen sind – ähnlich wie die Lichtbrechung beim Regenbogen – optische Phänomene der Überlagerung von Wellen, die Linien bilden eigene Raster, streuen und verselbstständigen sich in einem Moiré-Effekt.
Ein Effekt, der auch auf den beiden Soundobjekten zu beobachten ist: Durch die Treppenbewegung erzeugt das perforierte Material der sieben Körper eine ähnliche Wirkung. Flieder und Lindgrün hängen die Polyeder von den Decken, eine Form, mit der Brög schon oft gearbeitet hat und die er – in Anlehnung an den berühmten Stich von Albrecht Dürer – Melancholiebox nennt. Aus diesen auf dem goldenen Schnitt basierenden Objekten kommen Töne, denn es sind Lautsprecher, einzeln ansteuerbar.
Die Komposition Treppe von Stefan Schneiders kombiniert Töne der E-Dur Tonleiter, die alle mit einem Vibraphon eingespielt und unterschiedlich lang geloopt wurden, so dass zufällige, immer neue Tonkombinationen möglich werden. Die Klangfarbe des Schlaginstruments, das oft auch für Ansagetöne oder Schulgongs verwendet wird, assoziiert Glockenklänge. Durch die Tonleiterreduktion und die zufällige Kombinatorik hat man aber nie das Gefühl, eine Ansage erwarten zu müssen oder dass die Pause zu Ende sein könnte: ausbalanciert und sanft klingen die einzelnen Segmente und lassen die Idee Schneiders, aus dem begrenzten Fundus einer Tonleiter ein komplexes Gefüge akustischer Möglichkeiten zu generieren, unüberhörbar werden.
Das Theater, von weitem schon durch den tiefroten Keramikvorhang markiert, ist ein Zugang, den Brög zusammen mit Kevin Rittberger realisierte. Hier, wo in immer gleicher Geschwindigkeit Menschen von einer Rolltreppe befördert werden, wartet ein Hörspiel auf seine Aufführung, welches Rittberger mit dem Orpheus-Mythos verknüpft hat: Er handelt vom Sänger Orpheus, dessen Versuch seine Geliebte aus der Unterwelt zurückzuführen scheiterte, als er sich entgegen der Weisung der Götter auf dem Rückweg zu ihr umdrehte. Teile dieser Geschichte aus der Oper Orfeo von Claudio Monteverdi und dem von Rittberger selbst geschriebenen Theaterstück Candide. Acting in Concert sind subtil auf die drei mehrkanaligen Stablautsprecher gelegt worden, die in den Vorhang integriert wurden. Durch diese räumliche Simulation unterschiedlicher Stimmen wird die kurze Fahrt auf der Rolltreppe wie der Mythos selbst in eine Aufführung mit mehreren Akten unterteilt. Der Passant kann die Stimmen und Klangfragmente unmöglich orten und fragt sich, ob er hier vor oder bereits auf einer Bühne steht. Für einen kurzen Moment bilden so die keramischen Vorhänge einen ephemeren Raum, eine Stelle, von der aus das Gehörte nicht ohne weiteres als illusionär zu durchschauen ist. Man weiß, dass man es nicht sollte; aber dennoch dreht man sich um.
Das Auditorium als letzter Modellraum verweist bereits im Namen auf seine Funktion: Zusammen mit den Musikern Kurt Dahlke und Jörn Stoya hat Brög einen Hörsaal geschaffen, einen langen Korridor, der die Königsallee mit dem U- Bahntunnel verbindet. Akustisch optimiert wurde er durch weiße Emailfliesen, deren Oberfläche so gestaltet wurden, dass der Klang durch Erhebungen und Negativformen mehrere Brechungswinkel erfährt. Ausgehend von einer quadratischen Pyramide wurden unterschiedliche Formen abgeleitet, so dass sie positiv und negativ, als Einzelform oder in Vierer-Sets existiert und durch Drehung weiter moduliert werden kann. Durch die Lichtreflexion des reinweißen Emails und jenen Drehungen entsteht im Auditorium ein subtiler, fast kristalliner Eindruck, der – obwohl die Fliesen funktional Paten von Schallschutzplatten eines Tonstudios sein könnten – eher an futuristische Gletscherstrukturen denken lässt.
Hinter den Fliesen sind 48 einzeln ansteuerbare Lautsprecher verborgen, die von Dahlke und Stoya mit der 3D-Audio-Installation Like Birds On The Wire bespielt werden. Die Anordnung der Lautsprecher ist relativ eng, so dass man den Klang als angenehmes Gefühl aufnimmt. Das Geräusch hat keine Richtung, kein Oben und Unten, sondern wird mit dem gesamten Körper erfahren und auf dem Weg in oder aus dem Zug mitgenommen. Als ob man an einem Orchester vorbeilaufen würde, wo jedes Instrument für einen kurzen Moment einzeln hörbar wird: so vergleicht Brög den akustischen Eindruck. Hören tut man hier aber kein Orchester, sondern Vogelstimmen, die dich wie Fäden eines klingenden Ornaments begleiten. Dahlke und Stoya haben dafür viele heimische Vogelarten aufgenommen und elektronisch bearbeitet. Die räumliche Differenziertheit des Klangs wurde durch eine 3D-Simulationssoftware und einen eigens programmierten Zufallsgenerator erreicht. Außerdem können Sensoren den Grundlärm der Station erfassen und die Lautstärke so modulieren, dass die Installation leiser wird, wenn sich weniger Menschen im Raum befinden. Mitten im Stadtraum wird man so von einer virtuellen Naturassoziation überrascht, die sich auch je nach Tages- oder Jahreszeit mit unterschiedlichen Vogelarten modulieren lässt.
Brögs akustische Ausgestaltung der Station ist ein Angebot an die Stadt, ein erster Vorschlag einer möglichen Aufführungspraxis. Er hat mit seiner Gestaltung hochwertige Klangräume geschaffen, deren Nutzung flexibel sein soll. So sind Konzertübertragungen oder thematische Schwerpunkte zu einzelnen Bands, Soundkünstlern oder Komponisten denkbar. Als verbindendes Element der Modellräume besteht die Vorstellung von Klang als einem Geräusch, das aus kollektiver Stille entsteht. Obwohl er aus so vielen Lautsprechern kommt, wird er immer individualisiert und so subjektiv erfahrbar.

* aus: Paul Valéry in der École Normale, in: Ders., Gesammelte Schriften, IV. I, Frankfurt a. Main 1991, S. 480.

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Prozess und Baukunst

In allen drei konzeptionell und technisch verschiedenen Soundkorridoren – Auditorium, Theater und Labor – sind sondergefertigte Steuerungssysteme installiert.
Im Auditorium werden in einem Spatial-Sound-Verfahren über eine Achtundvierzigkanal-Soundinstallation die einzelnen Soundmodule frei in Raum und Zeit bewegt und erzeugen eine räumliche Illusion. Die Wände bestehen aus prägeverformten plastischen Emailelementen, die die akustischen Eigenschaften des Raumes durch Diversifizierung der Brechungswinkel optimieren. Die erste Klangarbeit besteht aus 127 aufgenommenen und digital bearbeiteten Vogelstimmen.
Im Theater werden raumfüllende Sprachwiedergaben durch digital steuerbare Zeilenlautsprecher hörbar gemacht. Die Wandverkleidung, die an ein stark skaliertes Vorhangmotiv denken lässt, wurde in einem keramischen Digitaldruckverfahren hergestellt.
Das Labor ist ausstaffiert mit in metallischem Keramikdruck hergestellten Platten (acht Motive plus ein Urmotiv) und zwei skulpturalen Soundobjekten, gefertigt aus pulverbeschichteten Lochblechen. Die Objekte, bestückt mit zum Teil individuell gefertigten Hornlautsprechern, funktionieren als hochwertiges Siebenkanal-Lautsprechersystem.

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Räumliches Konzept

An der Station Heinrich-Heine-Allee wird die Wehrhahn-Linie mit dem bereits bestehenden U-Bahn-Netz verknüpft. Der neue U-Bahnhof Heinrich-Heine-Allee schließt an seinem Westkopf an zwei bestehende, getrennte Fahrröhren an, die bereits vor etwa 35 Jahren im Zusammenhang mit dem hier auf Höhe der Verteilerebene kreuzenden Bestandsbahnhof Heinrich-Heine-Allee-Oben gebaut wurden. Am Ostkopf der neuen Station wurden die getrennten Gleise wieder zusammengeführt. Die Integration der neuen U-Bahn-Station in den konstruktiven Bestand sowie die ‚Unterfahrung‘ des denkmalgeschützten Kaufhofgebäudes machten für diese Station konstruktive wie auch typologische Sonderlösungen erforderlich: Die getrennte Trassenführung wird über einen breiten Mittelbahnsteig erschlossen.
Am Westkopf des Bahnhofes erfolgt die Umsteigebeziehung zum Bestandsbahnhof über zwei Zugänge, mit je einer Fest- und einer Fahrtreppe innerhalb des bestehenden Verbindungsbauwerks. Die Höhendifferenz zwischen diesem Verbindungsbauwerk und dem westlichen Ende des neuen Mittelbahnsteigs wurde durch eine leichte Rampe ausgeglichen.
Die über dem Bestandsbahnhof gelegene A-Ebene (Verteilerebene Ladenpassage) wurde mit drei Fahrtreppen, die unmittelbar auf den Mittelbahnsteig führen, verbunden.
Am östlichen Ende des Mittelbahnsteigs (Heinrich-Heine-Allee-Unten) ist der Stationsraum an die Ausgänge zur Königsallee angebunden. Hierbei führen vom Bahnsteig zunächst drei Fahrtreppen auf eine langgestreckte Verteilerebene. Am Kopfende dieser Ebene liegen sich zwei Aufgänge zur Königsallee gegenüber. Der nördliche Zugang besteht aus einer Festtreppe, der südliche aus einer Fest- und zwei Fahrtreppen.
Die Stirnseite der Verteilerebene wird über ein gläsernes Oberlicht mit Tageslicht akzentuiert. In diesem Bereich befinden sich auch zwei Abgänge zu einem unterirdischen Ausstellungsraum, in dem historische, während der Baumaßnahmen gesicherte Fundstücke gezeigt werden.

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