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Surround

Heike Klussmann

Heike Klussmann arbeitete in der Station Pempelforter Straße mit der dreidimensionalen Wirkung der spezifischen Raumgeometrie. Sie hat den Bahnhof vermessen und in ein 3-D-Modell überführt. Sie hat die Bewegungsrichtung von jedem Zugang aufgenommen, diese in die Station verlängert und so vier weiße Bänder, welche die gleichen Maße wie die Eingangsflächen haben, als invertierte Skulptur über Boden, Wand und Decke gelegt. Dabei werden die Richtungen der Raumkanten aufgenommen, sodass sich diese an der Geometrie der Architektur brechen und abwickeln können. Das Bandgefüge ergibt sich selbstständig nach den Brechungen mit der Raumgeometrie und überlagert als invertierte Skulptur die Raumgrenzen des Bahnhofs. Aus dem Spiel mit den Dimensionen von Fläche und Raum ergibt sich eine überraschende dreidimensionale Wirkung. Es scheint, als würden sich die tatsächlichen Begrenzungen des U-Bahnhofs auflösen.

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Heike Klussmann – Surround

Text von Anja Schürmann
»Daß Wege, sobald sie zu identifizieren sind, auch Kontinuität besitzen, ist eine einleuchtende funktionelle Notwendigkeit. Von dieser Eigenschaft waren die Leute durchweg abhängig. Hauptsache ist, daß die Fährte, die Spur, das ›Bett‹ des Gehwegs durchgehend verläuft«.
 (Kevin Lynch)*

Durchgehend verlaufen die Wege in der U-Bahnstation der Pempelforter Straße keineswegs. Was sehe ich, fragt man sich; was kann ich überhaupt sehen? Schwarz, weiß, länglich, vielleicht Bänder? Sie laufen über- und untereinander, überfallen sich und prallen aneinander ab.
Das, was einen Raum normalerweise zähmt, ihn zusammenhält, ist seine durchgängige Quantifizierbarkeit: Raum kann vermessen werden. Klussmann begreift ihren Raum, die U-Bahnstation, so und gleichzeitig völlig anders: Sie hat den Raum nämlich tatsächlich messen und in ein 3D-Modell überführen lassen. Und parallel zerstört sie ihn, sieht ihn als Prozession, als Weg vieler Wege, als Raum, der für und durch seine Nutzung Gestalt annimmt.
Vier weiße Bänder, die die gleichen Maße haben wie die Eingangsflächen, ziehen sich pro Zugang über den Raum. Sie fließen oben und unten, rechts und links in den Bahnhof, prallen an den Wänden und am Boden wie eine Billardkugel ab und verzweigen sich weiter in der Station. Die Grundfläche der emaillierten Fliesen ist dabei schwarz und durch die fünf Zugänge kommt es, dass 20 weiße Bänder den Bahnhof fluten, sich kreuzen, überlagern und bis zum U-Bahntunnel weitergeführt werden, wo sie dann auf das – ebenfalls von Klussmann gestaltete – Rautenmuster des Kontinuums treffen.
Der Titel der Arbeit, Surround, kann übersetzt werden mit ‚die Einfassung, das Umfeld’, was dem Raum eine weitere Ebene zuerkennt: Es ist der bewusste Verzicht auf zentralperspektivische Repräsentation, die die binäre Farbigkeit zur Folge hat. Und gleichzeitig führt sie zu Grundfragen der Raumwahrnehmung, die in der Pempelforter Straße ein Kippbild provozieren: Bild und Raum wechseln einander ab, die Flächigkeit des Schwarzweiß wird durch Überlagerung und Kollision der Bänder räumlich. Als geführte Überschreibungen des öffentlichen Raums sind die Bänder simulierte Wege, die ins Unendliche geführt absurd werden; oder Grau, wenn man spektral weiterdenkt.
In einem aktuellen Projekt entwirft Klussmann Materialien, die berührungssensibel (touchsensitive) sind und beispielsweise die Spuren von eindringendem Wasser oder die Bewegung oder Nicht-Bewegung von Personen nachvollziehbar machen. Die hier gezeigten Prozesse sind als Spuren auch in gewissem Maße willkürlich. Willkürlich in dem Sinne, wie Berechnungen und Simulationen unscharf sind und eine mentale Karte der Stadt – die wesentlich durch die Wege bestimmt wird, die man in ihr geht – durch die heutige Überreizung immer schwieriger zu erstellen ist.
Denn U-Bahnstationen haben – nach dem französischen Anthropologen Marc Augé – keine Identität, Relationen oder Geschichte mehr als Ort, an dem man sich aufhält. Sie sind Nicht-Orte. Klussmann weiß um die prekäre Situation solcher Orte und versucht gar nicht erst, eine U-Bahnstation in ein Wohnzimmer zu verwandeln: Sie akzeptiert den prozessualen Charakter des Raumes und seine Transitfunktion. Ein Raum, der nicht zum verweilen, sondern zum durchqueren gedacht ist und diese Durchreise schwarzweiß visualisiert.

* Das Bild der Stadt, Frankfurt a. Main/Berlin 1965, S. 67

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Prozess und Baukunst

Das Bandgefüge ergibt sich selbstständig nach den Brechungen mit der Raumgeometrie und überlagert als invertierte Skulptur die Raumgrenzen des Bahnhofs. Die Geometrien der Bänder wurden in der Fertigung anhand von CAD-Dateien hergestellt, in denen die genaue Lage auf Boden, Wand und Decke festgelegt wurde. Diese Motive wurden aus dem 3-D-Modell der Künstlerin generiert. Die präzise Kontinuität der Linien stellte eine besondere Herausforderung bei der Koordination der unterschiedlichen Gewerke dar und erforderte eine enge gewerkeübergreifende planerische Abstimmung. Die Richtungen der Bänder laufen gegen die Rasterung der Wand-, Decken- und Bodenflächen und erzeugen daher an allen Oberflächen zweifarbige Ausbauelemente. Jedes davon ist ein Unikat und stellt ein individuelles Teilstück des Kunstmotivs dar, das sich an keiner Stelle wiederholt.
Die grafischen Bänder wurden emailliert, das heißt zuerst im nasselektrostatischen Beschichtungsverfahren aufgebracht und anschließend im 2-Schicht/1-Brandverfahren bei einer Temperatur von 840 Grad in die emaillierte Wandverkleidung eingebrannt. Die Fortführung im Deckenbereich erfolgte mittels Digitaldruckverfahren auf die pulverbeschichteten Deckenkassetten. Im Bereich der Böden wurden die Bänder mittels Wasserstrahltechnik in den Betonwerkstein eingeschnitten. Die einzelnen Stücke wurden in vorher ausgeschnittene Aussparungen eingesetzt. So entsteht über das Material ein kontinuierlicher Raumeindruck über Boden, Wand und Decke.

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Räumliches Konzept

Die U-Bahn-Station Pempelforter Straße wird über zwei Köpfe, im Westen und Osten, sowie zwei Aufzuganlagen in Bahnhofsmitte erschlossen. Die gegenüberliegenden Verteilerebenen werden über einen zentralen Schnittraum, der wippenförmig das Kontinuum einschneidet, miteinander verbunden. Die Deckenschrägen sind so eingestellt, dass sowohl von der Fahrebene als auch von der Verteilerebene klare Blickbeziehungen und Einsehbarkeiten entstehen und dadurch die Wegeführung erleichtert wird. In Bahnhofsmitte, jenseits der schrägen Deckeneinschnitte, befindet sich ein Bahnunterwerk, welches über geschlossene Stege mit den Verteilerebenen verbunden ist. Die Erschließung am Ostkopf erfolgt über zwei Zugänge parallel zur Straße. Der Westkopf mit ebenfalls zwei parallel angeordneten Zugängen erhält zusätzlich einen weiteren von der Oststraße aus. Wegen der Enge im Stadtraum sind die Treppenanlagen von der Verteilerebene zur Fahrebene hintereinander angeordnet. Die Seitenbahnsteige werden in Bahnhofsmitte durch jeweils einen Aufzug erschlossen.

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